»Nach Verlauf der (festgesetzten) Zeit aber richtete ich, Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel empor; und als ich wieder zu Verstand gekommen war, dankte ich dem Höchsten und pries und rühmte hoch den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Königtum von Geschlecht zu Geschlecht besteht. 32 Alle Bewohner der Erde verschwinden neben ihm wie nichts; nach seinem Gutdünken verfährt er sowohl mit dem Heere des Himmels als auch mit den Bewohnern der Erde, und niemand ist da, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen dürfte: ›Was tust du da?‹
- Daniel 4,31-32
"Und außer diesem Gott, der "ewig lebt, des Gewalt ewig ist und des Reich für und für währte", sind "alle, so auf Erden wohnen, nichts zu rechnen."
Und das allermerkwürdigste ist, dass es König Nebukadnezar ist, der diesen Ausspruch tut, der ein MAnn absoluter Diesseitigkeit war, der sich und seine Vernunft und seine Macht gesehen hat wie einen Baum, der bis in den Himmel wächst. Dann aber hat Gott zu diesem Mann gesprochen, der Gott, der "schon dafür sorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Und dieser Gott hat Nebukadnezar gestürzt, wie man einen Baum ins Gras fällt. O lies dieses viertes Kapitel des Danielbuches ganz! "Und", sagt dieser König nun, "zuletzt kam ich zur Vernunft und lobte den Höchsten."
Das ist nun nicht mehr jener Verstand, der Türme bis an den Himmel bauen will und Bäume bis in den Himmel wachsen sieht, nein, diese Vernunft, zu der dieser König schließlich kommt, stammt aus jener Gottesfurcht, die aller Weisheit Anfang ist. An einem schweizerischen Gymnasialgebäude stehen heute noch die Worte in goldenen Buchstaben geschrieben: "Wissen ist Macht." So haben unsere Väter freudig gedacht, gelehrt und bekannt. Uns ist die Freude an dieser Art Wissen jetzt etwas gedämpft. Dies Wissen, das nur auf Macht aus ist, wo hat uns das hingebracht? Dieses Wissen, das von der Gottesfurcht gelöst war, was hat uns das doch alles eingebrockt! Wie ist doch diese Art Wissen immer mehr, einmal von Gott gelöst, in den Dienst des Teufels hinübergerutscht, so dass man eine Zeit lang geradezu hätte seufzen mögen: "Ach, hätten wir doch nicht so viel gescheite Leute auf der Welt." Heute fängt es in mancher Kinderstube und in mancher Schulstube an zu dämmern. Und die Dämmerung besteht just in dem, was auch König Nebukadnezar aufgedämmert ist, als er von sich sagte: "Zuletzt kam ich wieder zur Vernunft und lobte den Höchsten."
Ewiger und allein mächtiger Gott, gib dass dieses Geschlecht wieder zur Vernunft komme und dich zu preisen anfange und erkenne, wer du bist und wer wir sind. Amen."
- Walter Lüthi, 1959
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