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Die Sturmstillung - Ein Gedicht

Heutiger Vers

"Da gerieten sie in große Furcht und sagten zueinander: »Wer ist denn dieser, daß auch der Wind und der See ihm gehorsam sind?«"

-Markus 4,41


Gedanken

Die Sturmstillung

 

Das Volk, das bei Kapernaum
am Ufer steht, sitzt oder hockt,

wurd aus der Gegend drumherum

durch die Gerüchte angelockt.

 

Denn Jesus kam - laut den Gerüchten -

so manches Wunder leicht vollbringen.

In Gleichnissen und in Geschichten

spricht er von religiösen Dingen.

 

Er tröstet, mahnt, erklärt und droht

so kraftvoll, dass man merkt: Es stimmt.

Er sitzt dabei in einem Boot,

das dort in Ufernähe schwimmt.

 

Es hat ihn wohl recht angestrengt.

Und um ihn davor zu bewahren,

dass ihn das Volk zu sehr bedrängt,

spricht er: "Lasst uns hinüberfahren!"

 

Sie fahren auf den See hinaus,

die Jünger, die stets bei ihm sind.

Sie segeln und er ruht sich aus.

Ganz leise weht ein schwacher Wind.

 

So schläft er ein. Er liegt im Heck

mit seinem Kopf auf einem Kissen.

Der Wind bleibt schließlich völlig weg,

sodass die Zwölfe rudern müssen.

 

Dann ändert sich die Wetterlage.

Erstaunt bemerken´s Jesu Schüler.

Ganz dunkel wird´s am hellen Tage,

ein Sturm zieht auf, es wird kühler.

 

Matthias und Philippus denken:
Nur keine Angst! Der Petrus kann es!

Der Fischer weiß, ein Boot zu lenken!

Und auch Jakobus und Johannes.

 

Was aber nützt uns die Erfahrung

bei solchem Sturm mit seinem Schrecken!

Durch Jesus gäb´s vielleicht Bewahrung.

Sie wagen nicht, ihn aufzuwecken.

 

Das Schiff schaukelt hin und her.

Wild bläst der Sturm, die Angst ist groß,

die Wogen steigen! Doch ihr Herr

schläft wie bei Abraham im Schoß.

 

Er könnt sie vielleicht bewahren

vor Angst und Panik und vor Kummer,

vor realistischen Gefahren,

doch er liegt still in seinem Schlummer!

 

Der Sturm wird schließlich zum Orkan.

Gischt spritzt. Sie werden immer nasser.

Sie klammern sich am Dollbord an.

Andreas schöpft das Bilgewasser.

 

Das Boot wird kräftig durchgeschüttelt.

Noch immer nicht wird Jesus munter.

Da haben sie ihn wachgerüttelt.

"Herr, hilf doch! Wir gehen unter!"

 

Der Herr steht auf. "Es stürmt. Na und?"

Es schwankt. Er hält sich an den Spieren.

"Das ist doch noch lange kein Grund,

das Gottvertrauen zu verlieren!"

 

Sie kentern fast. Den Jüngern graut.

Das Meer rauscht laut, der Sturm pfeift schrill.

Er reckt den Arm aus und ruft laut:
"Wind, ich befehle dir: Sei still!"

 

Die Jünger können es kaum fassen:
Der Sturm - noch eben wild bewegt -

er hat nicht langsam nachgelassen,

nein, er hat sich sofort gelegt.

 

Da ist nur noch sanfter Hauch

der Sturm, der sie geängstigt hat.

So ist es mit den Wellen auch:
Der See liegt still und spiegelglatt.

 

Grad wären sie fast abgesoffen - 

jetzt stille, sanfte Bootspartie!

Da steht der Mund vor Staunen offen.

Sie beugen ehrfurchtsvoll die Knie.

 

Wo nimmt er nur die Vollmacht her?
Er hebt gebietend seine Hand,

spricht nur ein Wort - Wind und mehr

gehorchen ohne Widerstand.

 

Er legt sich wieder auf sein Kissen.

"Wer ist denn dieser?", hört man´s raunen,

und weil sie´s nicht genauer wissen,

so bleibt am Ende nur das Staunen.

 

 

- Aus: Welch ein Mensch! Das Leben des Jesus von Nazareth in Versen von Eckart zur Nieden (CLV)


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